Ein Großteil unserer Patienten kommt in die Physiotherapie aufgrund von Schmerzen. Zur Therapie von Schmerzzuständen gibt es für Therapeuten vielfältige Behandlungsmöglichkeiten. Leider reagieren Schmerzpatienten nicht alle gleich gut auf diese Maßnahmen. Woran liegt das und bei welchen Schmerzen ist welche Therapie angezeigt?
Schmerz kann unterschiedliche Ursachen haben. Am verbreitetsten ist das Verständnis von Schmerz als Zeichen für eine Schädigung von Gewebe (Muskeln, Bändern, Gelenken, Bandscheiben etc.), man „knickt um“, „überlastet etwas“ oder Ähnliches. Allerdings benötigt unser Bewegungsapparat Belastung und Entlastung, um nicht zu degenerieren. Das bedeutet, nicht belastetes Gewebe wird schwächer und anfälliger für Verletzungen. Dann reichen schon normale Alltagsaktivitäten, wie z. B. einen Kasten Wasser heben, um eine schmerzhafte Überlastung zu provozieren.
Welche physiotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei diesen akuten Schmerzen?
Als Sofortmaßnahme kann es nötig sein, die verletzte Struktur zunächst zu entlasten oder sogar ruhigzustellen. Das ist allerdings in der Regel nur für wenige Tage erforderlich. Zur Unterstützung der physiologischen Heilung kommen danach in den weiteren Tagen bis Wochen Techniken aus der Manuellen Therapie, der klassischen Massage sowie der physikalischen Therapie wie z. B. Elektrotherapie und Wärme zum Einsatz.
Die dosierte Belastung ist der entscheidende Reiz für eine gute Regeneration! Damit kann nach den ersten Tagen schon begonnen werden. Die Intensität sollte an die aktuelle Schmerzsituation sowie die Heilungsphasen angepasst und kontinuierlich gesteigert werden. Genussmittel wie Alkohol und Nikotin können die Heilung stören, eine gesunde, nährstoffreiche Ernährung sie positiv unterstützen.
Bei chronischen Schmerzen sieht die Situation allerdings komplett anders aus.
Das Verständnis von chronischen Schmerzen hat sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbessert. Man weiß heute, dass Behandlungsstrategien für akute Schmerzen bei chronischen Beschwerden wenig Erfolg versprechend sind. Für den Patienten passive Techniken wie z. B. Entlastung, Fango und Massage sind mittel- und langfristig nahezu wirkungslos und können unter gewissen Umständen die Schmerzmechanismen sogar verstärken.
Woran liegt das?
Bei chronischen Schmerzen ist das Gewebe nicht (mehr) geschädigt. Das bedeutet, dass die Strukturen durch zu wenig oder zu einseitige Belastung im Alltag empfindlicher geworden sind. Des Weiteren „lernt“ unser Gehirn Schmerz, sodass auch bei völlig intakten Strukturen unabhängig von Belastung oder Entlastung Schmerzen auftreten können. Unser Warnsystem schlägt dann einfach viel zu früh Alarm!
Was können wir tun?
Der Patient muss belasten! Training stärkt das Gewebe, macht Muskeln kräftiger, Bänder und Bandscheiben stabiler. Schmerzhafte Bereiche gewöhnen sich wieder an Beanspruchung, gehen gestärkt aus dieser hervor und schmerzen nach einiger Zeit nicht mehr. Daher darf es beim Training und danach auch ein Bisschen weh tun. Die Strukturen sind nicht „kaputt“, sondern unser Gehirn ist nur zu vorsichtig! Genauso wie unser Gehirn Schmerz „gelernt“ hat, kann es ihn auch wieder durch positive Belastungserfahrung „verlernen“. Zusätzlich verbessert Training den Stoffwechsel und die Aktivität des Immunsystems nimmt zu.
Unsere Empfehlung:
Sie haben einen Bewegungsapparat; bewegen Sie ihn! Ich wünsche Ihnen allzeit einen erfolgreichen Kampf gegen den „inneren Schweinehund“.